Markus Gull

Sind wir nicht alle ein bisschen Donald?

Wenn wir heute Donald hören, denken wir unweigerlich an einen verhaltensoriginellen Typen mit den inferiorsten Manieren, der längsten Krawatte und der bescheuertsten Frisur in der gesamten westlichen Hemisphäre.

Auch das zeigt: Entenhausen ist der einzige Ort, an dem die Welt noch in Ordnung ist, denn dort treibt der skurrile Wahnsinn herzerfrischend fröhliche Blüten. Dort rennen Enten den ganzen Tag ohne Hose herum, ziehen sich aber zum Schwimmen eine an. Dort hält sich der Hund Goofy den Hund Pluto als Haustier. Und vor allem, ist im Gegensatz zum Weißen Haus in Entenhausen Donald wie wir.

Wie bitte?
Der ewige Loser Donald Duck ist wir?
Wer will denn sowas?

Lieber Loser oder Superstar?

Stimmt schon: Micky ist der offizielle Superstar von Disney, immerhin wurde auf den schmächtigen Schultern der schlauen Maus ein Weltreich errichtet. Allein – was hat Micky mit uns gemeinsam?

Ja, am Ende gewinnt er, der Gute, und das wünschen wir uns naturgemäß auch für uns selbst.
Ja, Micky ist smart, lustig, freundlich.
Aber Hand aufs Herz: er ist ein Streber, ein Over-Achiever und er hat einen Polizisten als Best Buddy …
Und wer will denn sowas?

Da ist uns Donald Duck schon wesentlich näher, denn der Grundton seiner Lebensmelodie klingt nach Ungerechtigkeit. Und ist Ungerechtigkeit nicht etwas, das wir nur allzu gut kennen?

Im Großen wie im Kleinen.

Jemand bekommt den Job, den wir gerne hätten, und das obwohl wir schlauer sind.
Die Sichtverhältnisse verschlechtern sich genau dann, wenn wir uns aus der Startbox schleudern und deshalb gewinnen wir die Goldmedaille nicht.

An der Supermarktkassa steht der Idiot, der sein Red Bull kompliziert mit Essenbons bezahlen will, immer vor uns, weil er uns ja auch bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen mit seinen vier Taschen voller Flüssigkeitsbehälter (Red Bull?) den letzten Nerv raubt.

Warum immer ich?!?

Ist das nicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!?!

Bitte ungerecht, aber richtig.

Genau wie wir kann Donald ein Lied von Ungerechtigkeit singen. Das beginnt schon mit seinen naseweisen Neffen, diesen drei unerträglichen Besserwissern, denen wahrscheinlich selbst Maria Montessori am liebsten einen Tritt in den Pürzel verpassen würde. Dann auch noch Onkel Dagobert, Gustav Gans und Daisy …

Warum immer ich?!?

In unseren Emotionen für Donald Duck erleben wir den Unterschied zwischen Sympathie und Empathie am eigenen Leib. Sympathie kann nie schaden – aber Empathie ist lebenswichtig, vor allem dann, wenn’s um Story geht. Auch deine Brandstory muss nicht sympathisch sein, aber um alles in der Welt empathisch.

In der Empathie begründet sich die gemeinsame Sehnsucht von Erzähler und Zuhörer. In der Empathie entsteht die gemeinsame Wertewelt einer Marke und ihrem Publikum.

Empathie ist Wahrheit.

Like me – ich bin wie du.

Über Empathie können wir uns mir Rocky identifizieren, obwohl keiner von uns ein Außenseiter in Philadelphia ist, der Boxen trainiert, indem er im Schlachthof auf tiefgekühlte Schweinehälften einprügelt.

Aber in der Idee, dass selbst der größte Loser zum Champion werden kann, wenn er nur die Chance dazu bekommt, in dieser Idee finden wir uns und unsere heimlichen Hoffnungen wieder.
Auch wenn wir Rocky nicht sympathisch finden, mit seiner Suche nach Liebe, Anerkennung und dem Wunsch, irgendwo dazu zu gehören hat er unsere Empathie schnell gewonnen.
Rocky ist wie Donald, Donald ist wie ich: like me.

Empathie verwandelt ein austauschbares Me too-Produkt in eine magnetische Like me-Marke. Empathie bedeutet Made for me.

Wir stehen auf derselben Seite.

Wir haben dasselbe Bild von der Welt, das wir uns mit unseren Werten zeichnen.

Story eben.

Dieses Beziehungsmodell kannst du sehr plakativ bei Lebensberatungs-, Persönlichkeitsentwicklungs- und Business-Coaches beobachten. Egal ob in Büchern, Blogs oder Seminaren: Die allermeisten erzählen von ihren eigenen Fehlschlägen und wie sie es schafften, sich daraus zu befreien.
Sie sagen: Ich war wie du – was ich heute bin, kannst du auch sein. Vorausgesetzt, du buchst mein Programm.

Wahrheit entsteht, wo das Leben passiert.

Aus der einen oder der anderen Perspektive kennen die meisten von uns die Lebenswelt von Scheidungskindern und die damit verbundenen Emotionen.

Das glatte Gegenteil von Sympathie – die zutiefst relevante Plattform für Empathie und Wahrheit.

Story eben.

Gehe zurück an die Quelle der Empathie für dich, deine Produkte, deine Dienstleistung, deine Marke – egal ob du Solopreneur bist, oder für einen Weltkonzern, eine Megabrand, in einem KMU oder Start-Up arbeitest. Brandstory ist nämlich keine Frage der Unternehmensgröße, sondern eine Frage der Haltung.

Wenn du also kein Me-too-Produkt haben willst, das sich letztlich nur über den kleineren Preis definiert, sondern mit deinem Publikum empathisch ins Gespräch kommen willst, dann denke an den Satz, den meine Großmutter, die alte Storydudette schon auf die erste Seite von Daisy Ducks Poesiealbum schrieb: No Story. No Glory. 

 

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