Markus Gull

Vom Ende der Unschuld: eine Brandstory schlägt zurück.

Im Jahr 1998 gründen drei Cambridge-Absolventen eine besonderes Unternehmen und machen das richtig gut: Innocent Drinks sind unschuldig, durch und durch. Allerbeste Zutaten, weisse Produktionsweste, gutes Gewissen. Drin ist, was gut tut, drauf steht was drin ist, und das in besonders liebevoller Nähe formuliert. Mehr noch: Innocent ist auf einem soliden ethischen Fundament gebaut: mit den Drinks ist es einfach und köstlich, Gutes zu tun. Sich selbst und anderen, denn die einwandfreie Herstellung und die Unterstützung von gemeinnützigen Anliegen gehört selbstverständlich dazu.

Die gesamte Story der Marke stimmt perfekt! Dafür wird Innocent seit der unbefleckten Empfängnis zurecht von allen Seiten stehend applaudiert. Und auch der wirtschaftliche Erfolg blieb nicht aus, jedenfalls nicht für die Gründer, die vor einigen Jahren 90 Prozent ihres Babys für viele Millionen Pfund an die Coca Cola Company verkauften. Und wir spüren, dass sich plötzlich irgendetwas nicht mehr ausgeht.

Eine relevante glaubwürdige Brandstory ist ein kraftvolles Band zwischen Marke und ihrem Publikum. Allerdings schlägt die Brandstory genauso mächtig zurück, wenn die Glaubwürdigkeit zerbröselt. Im speziellen Fall geht es um den offenbar mehr als problematischen Umgang von Coca Cola mit Umweltschutz und Menschenrechten in einigen Ländern der Welt. Und das ist nun nicht mehr nur eine akademische Frage der Glaubwürdigkeit, sondern greift den Markenkern direkt an. Das ist tödlich!

 

Ein Tweet und die Brandstory ist kaputt

 

Wenn Gründer ihre Unternehmen verkaufen, verkaufen sie eben leider oft auch ihre Seele und die ihrer Marke gleich noch dazu, und dann ist’s eben vorbei mit der Unschuld. Den passenden Soundtrack dazu liefert Don Henley mit „The End of the Innocence”.

When happily ever after fails
And we’ve been poisoned by these fairy tales
The lawyers dwell on small details
Since daddy had to fly

Erfundene, von aussen aufgesetzte Brandstorys sind sowieso nichts Anderes als verkleidete Werbekampagnen, also der Lärm vor der Niederlage. Brandstorys funktionieren nur dann wirklich, wenn sie dem Herzen des Unternehmens entspringen, und selten ist das so dicht erlebbar wie bei Innocent, wo Brandstory und Markenname eines sind. Umso dramatischer, wenn es genau hier ernsthafte Probleme gibt, im Markenkern, in der Mission. Diese Probleme wuchern in die gesamte Company bis hinein ins Employer Branding. Hier ist Gefahr in Verzug!

Was tun? – Erstens die Probleme lösen, so oder so. Spätestens seit es das Internet gibt, lässt sich sowieso nichts mehr wegschwindeln oder abtun.

Zweitens überlegen, wie eine Marke mit einem hohen ethischen Anspruch wie Innocent der gesamten Coca Cola Company nützen kann. Denn die Veränderung zum Positiven ist ein mächtiger Hebel, um Marken zu stärken. Ja, auch scheinbar unsterbliche Marken wie Coca Cola müssen intensiv darüber nachdenken. Meaningful Brands – Marken mit Bedeutung und Nutzen – performen nämlich wirtschaftlich wesentlich besser als andere, wie mit ausführlichen Untersuchungen immer wieder nachgewiesen wird. Gerade beim jungen Publikum geht es ans Eingemachte. Bis zu über 90 Prozent der Millennials bevorzugen Brands with Purpose, und die Bereitschaft, zu solchen Marken zu wechseln ist atemberaubend hoch.

Probleme können durchaus befruchtend wirken. Vor einigen Jahren geriet Apple in Sachen Umweltschutz ins Visier von Greenpeace. Die Umweltschützer starteten die Kampagne Green my Apple, was Steve Jobs & Co. nicht nur zu weitreichenden Verbesserungen trieb, sondern auch die Entwicklung des MacBook Air anstieß. Und das ist unterm Strich keine schlechte Nachricht.

 

Greenpeace volunteers man the high profile 'Green my Apple' stall at the Mac Expo in Olympia, Kensington, London today, persuading Mac fans to challenge Apple and go green. The stall was later shut down at the start of the 3 day expo. The Greenpeace stall was bought to the three-day event in an attempt to raise awareness about concerns over the use of toxic chemicals in Apple's products. ©2006Greenpeace/Will Rose
Green my Apple-Kampagne

 

 

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