Markus Gull

Ist es bei mir jetzt auch schon so weit?

Ihre Augen leuchteten, als sie mich gestern auf der Straße ansprach, die junge Dame. Ja, wirklich! 

Sie war im Auftrag einer Tageszeitung unterwegs und befragte mich wie andere Passanten auch, wie ich denn die Corona-Lage einschätze und was denn gefühlsmäßig noch so an Maßnahmen kommen würde.

Aber nach meiner spontanen Gehsteig-Keynote für die Journalistin und unseren gemeinsamen Babyelefanten über das Land, die Leut’ & Corona, schoss mir was in den Sinn. Ist es bei mir jetzt auch schon so weit? Ich gab nämlich sinngemäß zu Protokoll: „Was wir alles noch an Lockdown erleben werden, hängt massiv von der Eigenverantwortung der Menschen ab, aber wer eine Viertelstunde durch die Stadt geht, gibt die Hoffnung darauf augenblicklich auf.“


ZU FAUL ZUM WEITERLESEN? DANN HÖR MIR ZU:

Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor. Mit Betonung, versteht sich!

 width=   width=   width=   width=


Ist es bei mir jetzt also auch schon so weit? Ist Hoffnung etwas, was ich einmal hatte? Noch während dieses Gedankens wusste ich, was zu tun ist: Nein! Wenn wir alles aufgeben, die Hoffnung sicher nicht. Und wenn’s ein Wunder braucht: die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wieder falsch, Kruzifuffzehn!

Die Hoffnung lebt zuerst, was denn sonst?!? 

Doch, ja! Wo kämen wir denn da hin? Richtig: nirgendwohin. Also lebt die Hoffnung zuerst!

Wo ist sie hin, die Hoffnung?

In den Gesprächen, die ich führe, ist auch die „allgemeine Lage“ naturgemäß immer ein Thema, und stets geht’s dabei um die so genannte Stimmung. Die verdüsterte sich rasant in den letzten Wochen. Selbst bei jenen, die weder gesundheitlich noch akut wirtschaftlich Probleme haben, machen sich die Unplanbarkeit des eigenen Tuns sowie der wuchernde Ver- und Überdruss im Umfeld schmerzlich bemerkbar. Da kann man nix machen.

Ganz viele haben Resignation als Grundakkord ihrer neuen, trüben Lebensmelodie angeschlagen, der düstergraue Himmel hängt nach wie vor voller Geigen, aber wir stimmen sie auf den neuen Kammerton: Mutlosigkeit. Ratloses Schulterzucken schlägt den Takt. 

Wohin ist die Hoffnung verschwunden? Haben die Myriaden von Babyelefanten, die meistens eh nicht zwischen uns stehen, sie völlig aufgesaugt, wie Wallace & Gromit die Karnickel? Ist sie in der Zoom-Fatigue selig entschlafen, die Hoffnung?

Ja, es stimmt schon, du musst nicht weit aus dem Haus gehen, um jede Menge rücksichtsloser Idioten zu finden. Im Zweifel finden sie dich auf Schritt und Tritt.

Ja, es stimmt auch, dass hinter jeder Ecke ein Problem lauert, bei vielen wissen wir beim besten Willen nicht, wie wir sie jemals lösen sollen. 

Ja, es stimmt: Stimmungen stecken an, ziehen mit, ziehen runter. Stimmungen ziehen wie Fäulnisgeruch durch die Gänge und nisten sich ein – in den Vorhängen, in den Polstern am Sofa, in den Klamotten. Alles miachtelt schon … in uns.

Wieder falsch! 

Mit der Stimmung ist’s wie mit dem Stau auf der Autobahn: Wir stehen nicht drin, wir selbst sind der Stau. Wir kommen nicht in Stimmung, Stimmungen kommen nicht in uns, sondern aus uns. Wir entscheiden selbst, welche Stimmung das ist. Wir machen sie uns, und es gibt nicht nur üble Stimmung, stimmt’s? 

Wir machen uns die Welt, wie sie uns nicht gefällt. Es gab sie nämlich immer schon, die verkehrten Stimmungskanonen: Kaum kommt ein Funken guter Stimmung auf, laden sie durch und schießen drauf, bis keine Fetzen mehr fliegen.

Fehlt dir was?

Mit der Geschichte, die wir uns in unserem Inneren zurechtzimmern, mit der möblieren wir unseren Raum. Wir können selbst entscheiden, was das ist: Hollywood-Schaukel oder Sarg. 

Es hängt ganz von der Perspektive ab. Stirbt die Hoffnung zuletzt, oder lebt sie zuerst?

Manchmal brauchen wir beim Justieren unserer Stimmung Anstöße von außen, einige erprobt gute Tools, den geschärften Blick aus der Adlerperspektive. Wenn es dir selbst, mit deinem Team oder deinem Unternehmen so geht, dann findest du hier vermutlich das, was du suchst. Vielen hat das bereits substanziell genützt!

Hoffnung

Mitunter brauchen Teams – ja, ganze Organisationen und Unternehmen – einen Boost durch einen Cocktail aus Zuversicht, Mut, Perspektivenwechsel und guter Laune, eine Frustschutzimpfung mit Soforteffekt. Wenn du denkst, sowas könnte dir und deinen Leuten gut tun (wem nicht?), dann gibt’s hier das richtige Rezept für dich.

Sind wir in Verbindung?

Wien und Österreich hat nun mit dem Terroranschlag von vor einigen Tagen einen weiteren Brocken am Tisch, dessen Aufarbeitung auf sachlicher wie auf emotionaler Ebene vielen noch einiges an Mühe und Zeit abverlangen wird. Die große erste Welle der Themenbewältigung spülte ein bewienerherztes „Schleich di, du Oaschloch“ an die vermüllte Küste der Sozialen Medien. Ein Ausruf, der mir gleich an mehreren Stellen heiße Skepsis-Stachel ins Fleisch trieb. Nicht nur mir, wie ich weiß. 

Irmgard Pretzner, die Schwester eines der Anschlagsopfer, meinte in ihrem Nachruf, ihre ermordete Schwester Gudrun hätte, wenn’s denn möglich gewesen wäre, dem Attentäter gesagt: „Leg die Waffe weg, und setz dich her zu mir. Erzähl mir, was dich so wütend macht.“ In einem Gespräch im ORF-Fernsehen plädierte sie zudem, darauf zu achten, dass sich junge Menschen gar nicht radikalisieren. 

Ich denke, in der Haltung dieser Frau – wie gesagt: Schwester einer Ermordeten – wird gänsehautnah spürbar, was innere Perspektive für jeden von uns und für uns tun kann. Tun könnte, für uns und für uns alle gemeinsam. Gemeinsam ist wahrlich das passende Stichwort dafür. Meine Hoffnung klammert sich daran. 

Eine Hoffnung, die sich vermutlich erst erfüllt, wenn unsere Probleme tatsächlich groß genug sind, damit sie an ausreichend vielen Stellen etwas aufbrechen und wir es dann ebenfalls tun: aufbrechen. Das geschieht aber offenbar erst, wenn unsere Problem noch deutlich größer sind als jetzt. Hoffen wir’s!

Es ist die Hoffnung, dass wir das, was wir längst wissen, täglich sehen und erleben, dann auch in die Tat umsetzen: uns und einander eine neue Geschichte erzählen. Der zentrale Grundwert, als das Theme, um das sich diese Geschichte dreht, heißt Verbundenheit. Jeder von uns mit jedem, und wir mit allem. Wenigstens das zeigt uns Corona so oder so: wie sehr wir miteinander verbunden sind und wie sehr wir darunter ächzen, wenn wir es nicht sein können. Oder nur digital, zoom Teufel … 

Kämpfst du noch?

Das wäre doch etwas: wenn wir erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Menschheit ins Leben bringen, in der keiner von uns der Feind des anderen sein muss, damit Erfolg, Sieg und Triumph entstehen und irgendwer gewinnt. Wenn sich der nachweislich letztlich sinnlose, weil destruktive „Kampf gegen/um/mit …“ aufhört, dafür uns der „Kampf für …“ zusammenschweißt, was jede Mühe wert ist. Allein für den Spaß am Experiment würde sich das schon lohnen, oder nicht? Das wär’ doch was!

Ja, der Kampf, der ewige. – Ich denke mir das immer wieder, wenn ich aus Politikermäulchen höre: „Ich kämpfe um jeden Arbeitsplatz!“ Ist das so? – Aber was, wenn jemand (vielleicht ein Kind) fragen würde: „Was genau tust du denn da? Und kannst du bitte den Chef von meinem Papa anrufen, bei Schnapp & Co., damit sie ihn nicht von Kurzarbeit auf Nichtarbeit umstellen? Kannst du bitte mit dem Chef dort kämpfen, ein bissel wenigstens, kämpfen, nicht um jeden Arbeitsplatz, sondern um diesen vom Papa?“ Wenn ein Kind so was fragt, was dann? Pudelnackert würde dann um Fassung gerungen und verlegen um Antworten, ja: gekämpft. Antworten, die es knapp nicht über die Argumentationsschwelle schaffen. Hoppla …

Wie dem Papa geht’s zur Stunde vielen. Hoffnung und Kampf verwachsen in lebensnahe Realunion. Urplötzlich noch dazu, in der zweiten Welle: Schwupp & Co, quasi, alles weg. So viel ist sicher, also das Gegenteil von sicher. 

Dass sich das Leben von einer schönen Sekunde auf die andere ins Gegenteil verkehrt, davon weiß kaum jemand besser zu berichten als Gregor Demblin. Vor 25 Jahren: Schule vorbei, nun endlich, am Strand eines neuen Lebensabschnittes, die perfekte Welle am Meer der Möglichkeiten, dort draußen, unterwegs zu ihm. Ja, so viel Hoffnung auf … auf was? Auf morgen eben! Dann auch, schließlich ist Maturareise, und hier ist Griechenland, zwar nicht Rhodos, aber dennoch, hic salta, einen erfrischenden Hüpfer ins kühle Meer. Das war’s. Fast war’s das. In letzter Sekunde wurde Gregor lebendig aus dem Meer herausgezogen, auch aus dem Meer der Möglichkeiten, denn er sitzt seither im Rollstuhl.

Mittlerweile hat sich viel getan – hat er viel getan. Zum Beispiel das Buch „Wie ich lernte, Plan B zu lieben. Resilienz für Anfänger.“ geschrieben, das auch „Amor fati“ für Vollprofis heißen könnte.

Hoffnung

Gregor Demblin erzählt in der aktuellen Folge meines Podcasts, wie es ihm gelungen ist, aus absolut verzweifelter Bitterkeit eine neue Perspektive – seine Perspektive – zu entwickeln. Eine, die gut für ihn ist und gut für viele, viele andere, weil er aus dieser Perspektive sich selbst zurück ins Leben, in ein besseres Leben und ein mehr als beeindruckendes Unternehmen auf die Welt gebracht hat. Eines, das gut ist und gut für etwas. Ein Kampf voller Hoffnung, ein Kampf für viel. Für ziemlich viel sogar und für viele – viele Arbeitsplätze zum Beispiel –, aber hör selbst.

Gregor Demblin hat eine Menge verloren, aber eines nicht: die Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass morgen ein besserer Tag sein kann als heute. Und so war es dann auch, immer wieder, und so wird es morgen sein. Übermorgen möglicherweise nicht, aber überübermorgen dafür wieder …

Es gibt immer etwas, was man machen kann: einen nächsten Schritt tun. Den kann man sogar gehen, wenn man nicht mehr gehen kann. In unserer eigenen Geschichte ist uns Gregor Demblin anstoßender Mentor durch die seine. Er ist ein wahrer Rebell. Er rebellierte dagegen, das Unausweichliche als unausweichlich zu akzeptieren, fand einen Ausweg und erkannte: Das ist kein Ausweg, sondern mein Weg, von Hoffnung so gut ausgeleuchtet, dass ich weiß, wohin er mich führt. Ja, im Rollstuhl.

Rebellierst du schon?

Jyn Erso postulierte in Star Wars: Rouge One: „We have hope. Rebellions are built on hope.“ Rebellionen, die innere Rebellion zumal, sind auf Hoffnung gebaut und auf die Erkenntnis, dass in uns innen drin alles sitzt, alles lebt, alles wächst & wütet & wundersame Blüten treibt.

Damit Hoffnung auf ein tatsächlich besseres Morgen und Rebellion zusammenkommen, braucht es Rebels with a cause.

Ein solcher ist Ronny Kokert, den ich seit vielen Jahren zu meinen Freunden zählen darf. Ronny ist einer, der als ehemaliger Open-Taekwondo-Weltmeister hautnah weiß, was Kampf bedeutet und wie das klingt, wenn Knochen brechen. Was Hoffnung bedeutet und wie das klingt wenn sie platzt, das weiß Ronny auch. Aus ureigenstem Erleben und weil er Hoffnung bringt. Ins Flüchtlingslager nach Moria zum Beispiel. Dort steht der Mensch nicht im Mittelpunkt herum, wie er das in geschmeidigen Politikersonntagssätzelein tut, meine Damenundherrenllliebefreunde, sondern er steht dort mehr als sinnbildlich in der Scheiße, und nicht mal in der eigenen.

In der aktuellsten Folge meines Podcasts, erfährst du, worüber Ronny und ich gesprochen haben, warum kämpfen zu können bedeutet, nicht mehr kämpfen zu müssen, und woran man spürt, dass etwas Sinn hat.

Darum geht’s. Um den Sinn. Ich will und ich weiß, dass Václav Havel recht hat: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – egal, wie es ausgeht.“

Wir brauchen Menschen, die mit ihrer Geschichte Hoffnung geben, Menschen, die ihre Geschichte selbst schreiben, eine neue schreiben, und ihre Geschichten teilen. Das sind die Erneuerer, von denen es gar nicht genug geben kann, damit bald jeder irgendjemanden kennt, dessen Hoffnung nicht zuletzt gestorben ist, sondern ewig lebt.

Jeder Mensch, jedes Unternehmen, jeder von uns kann mit dem, was er unternimmt und erzählt, diesen oder jenen Ton anstimmen und diese oder jene Resonanz erzeugen. Gleichgesinnte und Gleichgestimmte kommen in gemeinsame Schwingung – und aus ihr könnte sowas wie eine neue Geschichte entstehen, eine New Story. Diese neue Geschichte handelt so wie die alte auch von uns allen, hat aber eine neue Perspektive: sie ist eine Geschichte der Verbundenheit.

Ich glaube, diese Geschichte meinte meine Großmutter, die alte Story Dudette, als sie in ihrer Dankesrede für den Schwarzen Gürtel im Hoffnungmachen sagte: „No Story. No Glory.“ 

Jetzt teilen

Newsletter Abo