Markus Gull

Das Prinzip Hoffnung.

In unserer Zeit, in der alles zur Marke wird, weil ja sonst offenbar überhaupt gar nichts mehr funktioniert, kann man sich vorm Thema Personal Branding kaum noch in Sicherheit bringen. Wer sich nicht selbst als Marke positioniert, findet keinen Job, keine Kunden, keinen Partner, und wenn’s blöd hergeht, nicht einmal mehr bei der Türe raus. 

Wer ein Unternehmen gründet, Investoren sucht, Marketing macht – in eigener oder fremder Sache –, braucht sowieso eine Marke und die dazu passende Story; jedenfalls das, was dafür gehalten wird.

Marken geben Orientierung, Storys helfen uns dabei, uns die Welt und das Leben zu erklären. Jedenfalls das, was wir dafür halten.

Was liegt also näher, als dass auch Länder sich eine Marke verpassen und die eine passende Story dazu basteln? Nation Branding heißt das Zauberwort, das in regelmäßigen Abständen die Herzen vieler höher schlagen lässt. Vor allem das Herz vieler Berater, weil dort, über dem Herzen, meistens die Brieftasche liegt. Manchmal steckt die Brieftasche auch hinten in der Hose, was erklärt, warum Business, das von Profitgedanken getrieben ist, meist in die nämliche geht und somit also für den Arsch ist, wie man in der Vorstadt sagt. 

Vorsprung durch Branding.

Nur wenn ein Land zur Marke wird, heißt es, sei es attraktiv genug als Wirtschaftsstandort, als Exporteur von Made in …, als Magnet für die besten Köpfe. Und im Tourismus sowieso. Vorsprung durch Branding.

Daran ist grundsätzlich einmal nichts falsch. Aber auch noch nichts richtig.

Gute Erfahrungen mit Nation Branding sind rar. Meistens kommt dabei nicht viel mehr raus als ein ziemlich teures Tourismus-Logo, oder Werbekampagnen, die Klischees mehr oder weniger originell mit Lokalkolorit verbrämen und mit entsprechendem Werbedruck versehen. Als Extra gibt’s mitunter noch ein paar  Medienberichte über die seltsamen Vorkommnisse bei der Auftragsvergabe.

Das ruft die Erinnerung an den Titel eines Buches von Steven Pressfield wach, der da lautet: „Nobody wants to read your shit.”

In Österreich ist es jetzt wieder einmal so weit. Ein neuer Anlauf soll gemacht werden, denn Österreich muss nun aber wirklich zur Marke werden, und zwar so tragfähig positioniert, dass es auch übermorgen noch funktioniert. Man kennt das Land heute zwar für Sound of Music, Lipizzaner, Bergidylle und Opernball, aber das ist in unseren innovationslüsternen digitaltransferierten Zeiten naturgemäß zu wenig. Wenn das so bleibt, rückt nämlich die Gefahr in greifbare Nähe, dass man in China nicht nur das halbe Salzkammergut nachbaut, sondern im Salzkammergut ganz China, was niemand gut finden kann, der nicht Chinese ist oder eine Frühstückspension im Salzkammergut betreibt. 

Was gibt’s zum Frühstück?

Das Loblied der österreichischen Heimat vielfältigst begabter großer Töchter und Söhne erklingt – abseits der gleichermaßen beliebten wie abgewohnten Klischees – eben nur in der ersten Strophe der offiziellen Bundeshymne; wobei als inoffizielle bekanntlich „I am from Austria” gilt. Allerdings kommt vielen Waterloo & Robinsons Epos „Das ist meine kleine Welt” leichter von den Lippen, was man nicht vergessen sollte, wenn man über Nation Branding nachdenkt. – Oder, wie es der gebürtige Österreicher Peter Drucker so treffend formulierte: „Culture eats strategy for breakfast.” 

Dieser Leitsatz gilt für Dich und Deine Marke, für jede Company und für jede Nation: Der kulturelle Kontext ist die größte Hürde für Erneuerung und gleichzeitig ihre beste, vielleicht sogar einzige Chance.

Gerade deshalb ist Nation Branding für uns Story Insider ein großartiges Anschauungsbeispiel für das, worum es bei Story geht, egal ob es sich um Personal Branding oder die Entwicklung der Marke und ihrer Story für eine ganze Nation dreht.

Was früher lebt, ist später tot.

Im Kern geht es um einen Wert, mit dem sich eine Menschengruppe identifiziert, den sie teilt, für den sie einsteht und kämpft, über die sie sich definiert. Eine gemeinsame Sehnsucht, eine gemeinsame Hoffnung. Das treibt Unternehmen und Organisationen, das startet und trägt Revolutionen. „We have hope. Rebellions are built on hope”, sagt Jyn Erso in Star Wars: Rogue One.

Das Prinzip Hoffnung liegt allem zugrunde.

Wenn es stimmt, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, ist damit allerdings noch nicht viel gewonnen. Weiter bringt uns „Die Hoffnung lebt zuerst.”

Ernst Bloch schreibt in seinem Werk, dessen Titel längst zum geflügelten Wort mutierte: „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen nicht, warum und von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter, so ist er Furcht.

Einmal zog einer aus, das Fürchten zu lernen. Das gelang in der eben vergangenen Zeit leichter und näher, diese Kunst ward entsetzlich beherrscht. Doch nun wird, die Urheber der Furcht abgerechnet, ein uns gemäßeres Gefühl fällig.

Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Seine Arbeit entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt statt ins Scheitern.”

 

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Antrieb statt Anrieb.

Die Herausforderung besteht unter anderem darin, dass eine Story Antrieb für das eigene Handeln sein muss und gleichzeitig ein Abgrenzen zu anderen braucht. Der gemeinsame Gegner bzw. die antagonistische Kraft muss identifiziert werden. Das ist bei Nationen nicht nur schwierig, sondern durchaus gefährlich, weil es hier schnell einmal nach dumpfem Nationalismus und Arroganz mieft. Nestwärme und Antriebhitze sind zwei unterschiedliche Energiequellen.

Liberté, Égalité, Fraternité ist bis heute der Wahlspruch der französischen Republik. Was könnte man daraus machen? Was bedeutet das in zeitgemäßer Interpretation nach außen? Und vor allem im des kulturellen Kontext nach innen (siehe Pierre Drugé)? Kein leichtes Unterfangen, nach meinem Geschmack.

Wenn wir einen Blick in die USA werfen, erkennen wir ein hervorragendes Beispiel einer funktionierenden Nation Brand Story, die sogar noch wirkt, obwohl sie eigentlich nicht mehr stimmt: „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.” 

Das meine ich jetzt nicht als ironische Anspielung auf The Orange One im Weißen Haus, sondern durchaus als perfekten Treibsatz für das Lebensgefühl einer ganzen Nation mit unbändiger Magnetkraft nach außen. (Lassen wir des Versuches halber außer Acht, dass man durchaus kritisch anmerken kann, die USA wurden aus der Blutlache eines Genozides unter Zuhilfenahme von Rassismus und Sklaverei gezogen.)

Yes you can!

Wer sich nach der Entdeckung Amerikas und der Entdeckung des Umstandes, dass es sich dabei nicht um Indien handelte, dorthin aufmachte, der hatte oft nicht mehr, als die Kleider am Leib, den einen sprichwörtlichen Dollar in der Tasche, und vor allem aber die Hoffnung im Herzen, dass dort über dem Ozean das gelobte Land liegt, in dem eine bessere Zukunft möglich ist als hier. Dass dort das Glück darauf wartet, geschmiedet zu werden, Gold gefunden werden will und sich die schmutzigen Teller stapeln, mit denen sich jeder zum Millionär hochwaschen kann. Jeder, der an sich glaubt, kann es dank seines unermüdlichen Einsatzes schaffen. Amen.

Das ist eine Story, die nach innen und außen wirkt! Für Schüler, für Studenten, Sportler, Familien, Unternehmen, Organisationen, Wissenschaftlerinnen, Techniker, Ärzte und Bauern.

Wir besiedeln ein Land, machen es uns im hoffentlich besten Sinne untertan, bestellen es und verwandeln dieses Land ins gelobte. Wir als Gottes Stellvertreter auf Erden. Holy Cow! Was für eine Story:

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Ja, das ist Story! 

Und diese Geschichte lässt sich in unterschiedlichen Varianten immer wieder neu erzählen:
„We choose to go to the moon!”
„Yes we can!”
„If you can make it there you can make it anywhere – it’s up to you, Baby!”

Es heißt aus gutem Grund „The American Dream” und nicht „The American Zwölf-Punkte-Plan auf 140 Power-Point-Slides”.

Das ist Nation Branding. Das ist Storysharing.

Rebellions are built on hope. Nationen auch.

Und auch Unternehmen – ja das ganze Leben ist auf Hoffnung gebaut. Nation Branding funktioniert im Prinzip nicht anders als Personal Branding.

Gibt es Hoffnung für Österreich?

Wie könnte diese Hoffnung, diese gemeinsame Sehnsucht, für eine Marke Österreich aussehen? 

Immer wieder kommt in diesem Zusammenhang der Begriff „Brückenbauer” aufs Tapet. Beim aktuellen EU-Ratsvorsitz ebenso wie bei „Building bridges”, dem Motto des Eurovision Songcontest 2015 in Wien. Wo könnte darin die gemeinsame Sehnsucht, die geteilte Hoffnung liegen? Einmal abgesehen von der Hoffnung, dass auf der anderen Seite der Brücke ein bestens beleumundeter Gesprächstherapeut auf den amtierenden Innenminister wartet …

Aber wie wäre es hingegen, ähnlich wie in den USA die Menschen im Lande als Träger der Botschaft zu erkennen und ihre Kreativität als wertvollsten Schatz in den Schweinwerferkegel zu schieben?

Hier entstanden und geschehen nämlich großartige Dinge. Fast 200 Unternehmen agieren als Hidden Champions – Weltmarktführer, die allerdings kaum einer kennt. Top-Wissenschaftler und Top-Start-ups sorgen international für Aufsehen. Mozart und Falco, Viktor Frankl und Peter Drucker, Ingeborg Bachmann und Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard und Thomas Brezina, Billy Wilder und Michael Haneke, Red Bull und Red Bull Salzburg, Sound of Music inklusive. Mozartgoogle, sozusagen.

Was aber, wenn man aber mit Innovation mehr meinen könnte als Technologie, sondern gesellschaftliche Innovation, die dem Erdteil inmitten entspringt? Wäre das nicht gleichzeitig ein Schub für alles, was Bildung und Ausbildung erfordert und letztlich den Selbstwert jedes einzelnen Menschen im Lande nährt?

Gibt’s Hoffnung für Europa?

Wie könnte dann eine Hoffnung für Europa aussehen? Für ein Europa, das mehr ist als pro oder contra Brüssel und geschützte Außengrenzen? Gibt es eine gemeinsame Sehnsucht für Unser Europa? Continent Branding – Europa als begehrenswerte Gegensehnsucht zu China, Russland und den USA …

Hören wir noch einmal Ernst Bloch zu: „Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt, sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.”

Storysharer vortreten!

Unsere brüchigen Zeiten brauchen Storys, Storyteller und noch mehr: Story-Sharer. Storys sind wie Länder und Menschen, sie werden erst im Wir lebendig.

Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, hat die Evolution in uns Menschen einprogrammiert. Lasst uns diese Fähigkeit nützen, damit Hoffnung entsteht, und zwar gemeinsame Hoffnung! Das macht uns stärker als wir es alleine wären.

Das macht jedes Land zum gelobten Land, so wie es gemeint ist. Und es spielt keine Rolle, ob dieses Land eine Regierung hat, oder eine Geschäftsführung, oder etwa einen Vereinsvorstand. Oder ob dieses Land gar nur einen einzigen Einwohner hat, der Du selbst bist.

Storys bringen uns respektvoll ins Gespräch mit unserem Publikum, wenn die Story für beide relevant ist. So macht man das heute, jenseits von Werbung. 

Und deshalb schrieb meine Großmutter, die alte Story Dudette, dem guten Friedrich Schiller an den Rand seines Manuskriptes von der „Ode an die Freude” mit zartem Strich die weisen Worte: „No Story. No Glory.“

 

Bildhinweis Titelbild: Unsplash.com | Stephen Leonardi

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