Markus Gull

6 Ideen, damit sich Deine Marke verändert, aber bleibt was sie ist.

Bei Marken verhält es sich so wie bei Menschen: die Story kommt immer aus der Genetik. Die Gene einer Marke sind ihre Werte. Das bestimmt wie sie aussehen, was sie tun, wie sie sprechen, wie sie mit der Zeit gehen. Das gilt für jeden Menschen, für die Personal Brand jedes Solopreneurs, für jedes kleine und große Unternehmen und für die Megabrands sowieso.

Wie sich Menschen mit der Zeit verändern, aber dank ihrer Genetik doch immer dieselben bleiben, verändern sich auch Marken, denn keiner Marke bleibt es erspart, dass sie früher oder später aktiv ihr Profil schärft, ihre Story nachjustiert, oder gar einen kompletten Relaunch auf die Beine stellt. Und dank ihrer Genetik tunlichst doch immer dieselbe bleibt.

Der Tag des Wandels wird kommen.

Bei Marken, die schon lange auf der Welt sind, kommt der Tag des Wandels schon ganz einfach deshalb, weil sich die Zeiten – also die Einstellungen und Erwartungen der Menschen – über die Jahre verändern.

Das gute alte Publikum wird zum guten neuen Publikum, was sich durchaus auch im Alter widerspiegeln kann. Schließlich ist 40 das neue 30 und Paul McCartney 75. (Anmerkung für die Generation Y und Z: Paul McCartney ist der Typ, der mit Kanye und Rihanna „FourFiveSeconds” aufgenommen und kurz zuvor mit drei Freunden die Popmusik erfunden hat …)

Neue Channels – neue Chancen.

Auch die völlig veränderte Medienlandschaft bietet Marken reichlich Gelegenheit zur Neu(er)findung. Denn, konnte man früher nur wenige Medien nutzen, die von vielen verschiedenen Menschentypen genutzt wurden, gibt es heute, vor allem online, viele Medien, über die man ganz spezielle Typen erreicht und sonst niemanden. Warum also nicht die eigene Brandstory dafür interpretieren und seine Publikumsgruppe ausweiten, wenn es das Produkt prinzipiell erlaubt?

Sehr oft ist die Story-Schärfung auch deshalb nötig, weil sie von Anfang an nicht scharf genug war – also zu wenig Unterscheidbarkeit oder Relevanz bietet.

Sei nicht modisch, sei modern.

Oder die Story war von Anfang an viel zu scharf, in der Zeit verhaftet und zu modisch. Dann passiert genau das, was allem Modischen passiert: die Welt dreht sich ins Gegenteil und man ist unmodern.

Überhaupt: Wer in der Mode tätig ist, kann ein Lied davon singen, während er auf der Moll-Tonleiter auf und ab klettert. Die Menschen kaufen ja gerade bei Mode vor allem Bedeutung, und damit dreht sich die Spirale der Markenführung vom Tag 1 der Unternehmensgründung.

 

Growup

Die Prestige-Marke Burberry kam in die Jahre und wandelte sich gekonnt vom Mantel des verstaubten Latein-Lehrers zur Grundausrüstung der neuen Brit-Generation. Und damit eigentlich wieder Back to the Roots.

Mir selbst ist es in meiner Zeit in der klassischen Werbung immer wieder passiert, dass vor allem dann, wenn es um Corporate Designs ging, der Geschmack der Zeit das Ergebnis diktierte und man nach der anfänglichen Freude über das perfekte Logo plötzlich ein besonders unmodernes an der Tür kleben hatte. Modisch ist nicht modern, diesen Unterschied zu kennen, macht das Leben leichter …

Die Veränderung muss die Brand Identity stärken.

Die berechtigte Sorge lautet: Wenn wir uns als Marke verändern, kippen wir dann nicht alles, was bisher war, in den Müll? Die gesamte Aufbauarbeit, das investieret Kapital? Und unserer Stammkunden gleich mit dazu?

Grundsätzlich gilt für alles, was man in der Marketingkommunikation tut: Es braucht eine stabile Brandstory, die sich über ein klares Wertesystem definiert. Wenn du die hast, dann kann deine Marke wachsen und in der Veränderung der Zeit neu interpretiert werden, ohne dass sie Schaden nimmt. Dass dabei auch Kunden verloren gehen, läßt sich nicht vermeiden, aber der Gewinn neuer Kunden wird den Verlust allemal aufwiegen.

Growup

Wenn sich die Einstellungen zu Produkten und ganzen Branchen nachhaltig ändern, sind alle Marken davon betroffen. Eine starke Genetik sichert die Identität im Wandel.

The times they are a-changin.

Die Automobilbranche wurde über die Zeit mit echten Paradigmenwechseln konfrontiert und steht heute insgesamt vor einem grundlegenden Wandel. Wenn man in meiner Kindheit ein gutes Auto an Leistung und Komfort erkannte, stand bald die Sicherheit im Mittelpunkt des Interesses und dann der Verbrauch und alles, was mit Umweltschutz zu tun hat. Und morgen bzw. bereits heute weiß man längst: Wer Autos baut, baut keine Autos, sondern sorgt für Mobilität, Unabhängigkeit, Freiheit etc.

Für die gesamte Branche gilt – wie für uns alle – die unendliche Weisheit von Bob Dylan: „Then you better start swimmin‘ or you’ll sink like a stone for the times they are a-changin‘ …” Aber selbst in diesem neuen Licht kann BMW weiterhin Freude am Fahren machen, Audi seinen Vorsprung durch Technik behalten und Mercedes wie von Anfang an Das Beste oder nichts herstellen.

Der genetische Markencode liegt oft im Gründungstraum.

Das Beste oder nichts war das Gründungsmotto von Gottlieb Daimler beim Bau des ersten universell einsetzbaren Benzinmotors und dieses Motto wurde 2010 wieder zum offiziellen Mercedes Claim. Eine starke Ansage, ein klares Bekenntnis nach innen und außen, ein Haltegriff auf der Fahrt durch die Jahrhunderte. Auch und gerade weil sich das Auto-Publikum verändert.

Weil man bei Mercedes offenbar erkennt, dass sich das potenzielle Publikum, was seine Lebenseinstellungen und Lebensmodelle betrifft, massiv verändert hat, reagiert man in Stuttgart selbstverständlich. Und zwar mit einer Kampagne, die sich unter #growup an die Welt der jungen Erwachsenen wendet. An die Nach-Nachfolger der Generation Golf, die Gründungsmitglieder der Generationen Y oder Z – so genau weiß man das bei der Jugend von heute ja nie. Wie diese Generation selbst nicht wirklich weiß, wo sie hingehört. Teilweise vom Alter längst erwachsen, im Kopf vielleicht nie. Teilweise bereits in einer Einkommensklasse dort, wo ihre Eltern ihr Leben lang gerne gewesen wären, vom Lifestyle aber definitiv nicht.

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In außergewöhnlichen Filmen zeigt Mercedes echte Repräsentanten dieser Generation. Ein Leben zwischen cool und solide, zwischen Verantwortung haben, aber sie nicht wirklich wollen, ein Leben in ständiger Veränderung. Humor und Tragödie im selben Atemzug. Erwachsen werden ist eben nichts für Anfänger.

Der Spirit spiel die Haupt- das Produkt die tragende Nebenrolle.

Es ist eine Vielzahl von Themen, die diese Menschen bewegt und dabei bewegen sie sich gerne auch in einem Mercedes. Die Autos spielen eine tragende Nebenrolle und sind ganz selbstverständlich mit dabei.

In Deutschland setzt man als als V-Man zwischen der neuen Generations-Welt und den ehemals Jungen auf den Schauspieler Heiner Lauterbach, der in allen Filmen den eigentlichen Protagonisten begegnet. Ja, der Lauterbach, den man gerne dafür bewundert, dass er es seit über 60 Jahren verhindern konnte, wirklich ganz erwachsen zu werden.

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Werden dadurch die Mercedes Stammkunden verscheucht? Manche vermutlich ja, manche entdecken sicherlich den Lauterbach in sich, vergessen ihre zu vielen Kilos und fühlen sich lieber mit zu wenigen Haaren wieder besser. Die meisten wird die Kampagne überhaupt nicht erreichen, weil sie dank ihrer Medien-Nutzung gar nicht damit in Kontakt kommen.

Warum Mercedes die Übung nicht schafft, Das Beste oder nichts in die Storys zu hängen, ist mir offen gestanden ein Rätsel, denn es wäre alles andere als ein Widerspruch. Ich finde, es wäre für die Kampagne sogar ein kräftiger Atemzug aus dem Turbolader. Gehört zum #growup nicht auch, dass man Qualität(en) erkennt, den Blick fürs Wesentliche gewinnt und sich selbst und seinen Werten ähnlicher wird?

Schade auch, dass den ganz echten Menschen, den Kunden, kein Raum für sich und ihre Darstellung gegeben wird. Im Gegenteil: der Mercedes Guide to Growing up führt direkt zu den Fahrzeugmodellen und das ist leider genau das, was die angesprochenen Generationen nicht wollen: sie wollen keine Marken, die ihnen offensiv etwas verkaufen wollen.

Made for Me statt Kauf mich!

Das altbekannte Made for me-Gefühl ist dieser Generation besonders wichtig. So unergründlich ihr Kaufverhalten auch sein mag, so viel ist gewiss. Und #growup hätte durchaus die PS unter der Haube, die es braucht, damit ein Movement und saftiges ROI – Return on Involvement – entsteht.

Wir, die wir im Regelfall keine Megabrand auf der Werkbank haben, sondern oft als kleines oder als Einzelunternehmen arbeiten, haben letztlich dieselbe Situation wie Mercedes

 

  1. Jede Marke braucht ihre Updates – mal kleiner, mal größer – und mitunter sogar einen Generationswechsel.

  2. Wir müssen unsere Markenwerte und damit unsere Brandstory kennen, denn das sichert die Identität und somit den materiellen Wert unserer Marke.

  3. Die Vielzahl an Medienkanälen hilft sogar, unsere Brandstory unterschiedlich zu interpretieren uns somit ein breiteres Publikum als bisher genau anzusprechen.

  4. Geben wir unserem Publikum Gelegenheit und Raum, über sich selbst zu erzählen, während sie über uns erzählen, weil wir dieselben Werte teilen.

  5. Und: Wie können wir unsere Story so interpretieren und verdichten, dass sie als Botschaft auf ein T-Shirt gedruckt werden könnte, mit dem die Träger der Welt etwas über sich sagen wollen?

  6. Das hält Marken frisch und bringt ihnen zwei wertvolle, ja fast unbezahlbare, Belohnungen: Time with Brand und Return on Involvement.

 

Ob in der S-Klasse oder zu Fuß unterwegs gilt uneingeschränkt: No Story. No Glory.

 

Bildhinweis: Titelbild – Shutterstock – 445729567, Werbesujets: ©Burberry, Auto: Patent-Motorwagen Nr.1 Benz 2.jpg | Lizenz

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